Hochschule Reutlingen
21.11.2024

mki-Studierende in der finalen Runde der besten Fünf bei der diesjährigen UX-Challenge in Erfurt

Aus dem Modul "Innovation Lab" gehen regelmäßig innovative Ideen für digitale Lösungen hervor. Dieses Mal sogar mit Auszeichnung.

Die drei Finalisten der diesjährigen UX-Challenge: Marcel Prostka, Lennart Schiweck und Jonas Taigel (v.l.n.r.).

Mit LISTSCAN, einer App, die Einkaufslisten synchronisiert und Ausgaben nach praktischen Kriterien verrechnet, haben es die drei Studierenden des Studiengangs Medien- und Kommunikationsinformatik Marcel Prostka, Lennart Schiweck und Jonas Taigel in die Finalrunde der jährlich stattfindenden UX-Challenge geschafft. Geehrt wurden sie bereits im Sommer in Erfurt im Rahmen des UX-Festivals, bei dem die Finalisten gegeneinander antraten.

Die UX Challenge findet jährlich statt und wird vom Berufsverband der Deutschen Usability und User Experience Professionals (German UPA) ausgerichtet.

 

Was ist UX-Design?

Jonas Taigel
Kurz und knapp: Wie designe ich die Anwendung, dass es Spaß macht und es sich gut anfühlt, die Anwendung zu benutzen.

Lennart Schiweck
Ich würde ergänzen: UX-Design ist nutzerzentriert und stellt die Bedürfnisse und Erwartungen der User in den Mittelpunkt des Designprozesses.

 

Wie würden Sie Ihre entwickelte App LISTSCAN in ein, zwei Sätzen erklären?

Marcel Prostka
LISTSCAN ist eine Einkaufslisten-App, die den Einkaufsprozess vereinfachen soll. Sie hilft dabei, Einkaufslisten schnell und effizient zu erstellen, abzuhaken und mit anderen zu teilen. Außerdem ermöglicht die App die automatisierte Digitalisierung von Kassenzetteln und die KI-gestützte Kostenaufteilung.

 

Wie kam es zu der Idee?

Auf die Idee sind wir im Rahmen des Innovation-Labs bei Prof. Gabriela Tullius gekommen. Ziel war es, eine Idee zu entwickeln, die einen gewissen Innovationsgrad besitzt. Auf das Einkaufsproblem sind wir gekommen, als wir unsere alltäglichen Probleme betrachtet haben. Es gibt zwar bereits App-Lösungen für den Prozess, aber keiner von uns hat diese verwendet bzw. gerne verwendet. Also wollten wir eine bessere Lösung entwickeln. 

 

Wie ist das eigentlich generell bei UX-Experten wie Ihnen, glühen da sofort die Synapsen, wenn Sie eine App sehen, die für den User nicht optimal ist und überlegen Sie sofort, wie man es besser machen könnte?

Marcel Prostka
Man merkt es erst beim Verwenden, wenn die Frustration steigt. Bessere Lösungen zu finden ist nicht trivial, da wären wir schon stolz drauf, wenn wir das einfach so könnten, aber die Überlegung, wie könnte man das besser machen ist auf jeden Fall im Kopf.

Jonas Taigel
Man muss aber auch sagen: Ein schlechtes UX-Design fällt selbst Laien auf, dafür muss man kein Experte sein. Allerdings kann ein Laie oft nicht genau benennen, wie man es verbessern könnte.

 

Wenn man eine App entwickeln möchte, wie fängt man da an? Was ist da der erste Schritt?

Wenn man eine App entwickeln möchte, beginnt der Prozess mit einem Brainstorming und der klaren Definition des Ziels, das die App erreichen soll. Dabei geht es darum, die grundlegende Idee zu formulieren, die Zielgruppe zu bestimmen und die Probleme oder Bedürfnisse zu identifizieren, die die App lösen oder erfüllen soll.

 

Zieldefinition, Projektmanagement, lernt man das so nebenbei im Studium?

Jonas Taigel
Ja, z.B. im Modul Softwaretechnik 1, da geht es auch schon um Requirements, also Anforderungen, um Projektmanagement, Qualitätsmanagement und so weiter.

Marcel Prostka
Es ist schwierig überhaupt erst mal rauszufinden, was man will, also was das Ziel sein soll und ob sich alle in der Projektgruppe darunter dasselbe vorstellen.

 

Sie haben die App im Team entwickelt, wie haben Sie das organisiert? Welche Rollen und Verantwortlichkeiten hatten die einzelnen Teammitglieder?

Das Team bestand zu Beginn aus fünf Personen: Marcel Prostka, Nina Kretschmer, Lennart Daumüller, Lennart Schiweck und Jonas Taigel. Marcel war für die organisatorischen Aspekte verantwortlich, Lennart Schiweck für das Backend und die KI-Entwicklung, Jonas für das Frontend und die Implementierung der Features, Nina für das Marketing und Lennart Daumüller für das Design und UI. Eine klare Trennung der Aufgaben war da aber nur bedingt möglich, weil viele Aspekte gemeinsam im Team erarbeitet wurden.

Im Sommersemester 2024 haben wir drei die Entwicklung der App dann weitergeführt.

 

Wie sieht da so ein „normales“ Arbeitstreffen aus?

Lennart Schiweck
Wir treffen uns wöchentlich, um sicherzustellen, dass alle Komponenten, an denen wir arbeiten, nahtlos ineinandergreifen. Obwohl jeder seinen eigenen Aufgabenbereich hat, ist die Abstimmung entscheidend, damit das Gesamtsystem kohärent funktioniert.

Marcel Prostka
Bei den Treffen erarbeiten wir nicht direkt etwas gemeinsam, sondern nutzen sie vor allem für den Austausch. Dabei wird zum Beispiel die Methodik im Hinblick auf die Umsetzung diskutiert. Kommunikation spielte in diesem Projekt ohnehin eine äußerst wichtige Rolle.

Jonas Taigel
Da werden nicht die kleinen Details besprochen, wie ein Button jetzt aussehen soll.

 

Wo Sie es gerade sagen, wie sieht denn so ein Button aus?

Jonas Taigel
Ich würde sagen, man hält sich an die gängigen Trends, weil man die User nicht verwirren will und es nicht unnötig kompliziert machen will.

Lennart Schiweck
Der spannende Aspekt ist nicht nur das Aussehen des Buttons, sondern wie er funktioniert und ob seine Funktion für den Nutzer intuitiv verständlich ist. Es geht darum, dass die Interaktion für den User einfach und effizient ist.

 

Wie sahen die weiteren Schritte der Entwicklung bis zum Stand heute aus?

Nach dem Brainstorming und der Zieldefinition folgten dann die Konzeptentwicklung, das Design, die technische Umsetzung und mehrere Testphasen. Nach Abschluss des InnovationLab Moduls wurde hauptsächlich an der Verfeinerung und Erweiterung der App Features, an eigenen KI-Lösungen und der Unabhängigkeit der App von Drittanbietern gearbeitet.

 

Eigene KI-Lösungen?

Jonas Taigel
Jeder kennt ja mittlerweile ChatGPT. In unserer App kann man Sachen einscannen, z.B. Einkaufszettel, Einkäufe digitalisieren und kategorisieren. Das könnte man alles durch Teile von ChatGPT machen. Wenn man ChatGPT in eine App integrieren möchte, muss man zunächst eine Anfrage bei OpenAI stellen. Allerdings benötigt man oft nicht den gesamten Funktionsumfang. Die benötigten Teile lassen sich nachbauen und so entstehen eigene, maßgeschneiderte KI-Lösungen.

 

Gab es spezifische technische oder gestalterische Hürden, die Sie überwinden mussten?

Ja, insbesondere die Implementierung der automatisierten Kassenzettelerkennung und die Optimierung der KI-Modelle waren herausfordernd. Herausfordernd war auch, bedienerfreundliche Oberflächen zu schaffen, die intuitiv und schnell verstanden werden können.

 

Gab es dabei etwas, das Sie total anders oder falsch eingeschätzt hatten?

Marcel Prostka und Lennart Schiweck
Wir haben ein bisschen falsch oder anders eingeschätzt, was die User eigentlich wirklich cool finden. Kleine Features, die wir wichtig fanden, waren für viele User gar nicht so wichtig, während manche, sagen wir mal „triviale Sachen“, die User total gut und wichtig fanden. Kleine Seitenfeatures wurden dann im Laufe der Entwicklung zu großen Komponenten.

Jonas Taigel
Und das Projektmanagement war schon echt viel, das haben wir schon unterschätzt. Generell der große Aufwand, der neben der App-Entwicklung anfällt, wenn man plant die App wirklich zu releasen. Wir dachten z.B., dass es da weniger rechtliche Hürden zu klären gibt. Wir brauchen im App Store z.B. jährlich eine Lizenz über 99$, das sind so Sachen, um die wir uns jetzt kümmern müssen.

 

Gibt es die App für Android und iOS?

Ja, die App ist für beide Plattformen gebaut. Wir entwickeln mit einem Framework, das es ermöglicht für beide dieselbe Codebasis zu verwenden. Das hat Vor- und Nachteile. Eine native Entwicklung, also für jede Plattform ein eigener Code, wäre z.B. besser bei der Abstimmung für die diversen Schnittstellen. Die Crossplattformentwicklung war für uns aber ressourcenschonender.

 

Wie war das Projekt in Ihr Studium bzw. in Ihr Semester eingebunden?

Das Projekt war Teil des Moduls Innovation Lab und wurde durch die Unterstützung unserer Professoren und die Ressourcen der Hochschule möglich gemacht. Im Sommersemester 2024 haben wir dann im Modul mki-Projekt und im Modul Angewandte Künstliche Intelligenz weiter an der App gearbeitet. Wir fanden es besonders toll, wie sehr uns die Professoren unterstützt haben. Genau das schätzen wir so an unserer Hochschule, dass man die Möglichkeit hat, solche Projekte umzusetzen und dabei so viel Unterstützung erhält.

 

Kommen wir mal zurück zur App: Welche Zielgruppe haben Sie für die App im Auge und wie haben Sie deren Bedürfnisse ermittelt?

Unsere Hauptzielgruppen sind Familien, WGs, Freundesgruppen und Coworking Spaces. Wir haben ihre Bedürfnisse durch Umfragen und Interviews ermittelt. Potenziell könnte die Zielgruppe auch auf Einzelpersonen und kleine Unternehmen erweitert werden die unsere App Features gebrauchen können. Den Bedarf haben wir zunächst in unserem direkten Umfeld abgefragt, z.B. über Google Docs. Wir haben auch Leute direkt gefragt, die bei dem UX-Festival teilgenommen haben, da gab es auch gute Impulse und Feedback. Im nächsten Step bekommen ausgewählte Leute eine Testversion.

 

Wie einfach ist es für die User, sich in LISTSCAN zurechtzufinden und welche Maßnahmen haben Sie getroffen, um die Benutzerfreundlichkeit zu gewährleisten?

Wir haben sehr darauf geachtet, bekannte Navigationselemente zu verwenden, die unsere Nutzer bereits kennen. Tutorials und Tooltips sollen sicherstellen, dass sich die Nutzer schnell in der App zurechtfinden.

 

Gab es da bestimmte Testmethoden oder Feedback-Schleifen?

Ja, besonders interessant waren persönliche Gespräche mit Testnutzern. Da gab es auch eigene Ideen, die da zurückkamen, an die wir noch gar nicht gedacht hatten und das ist natürlich auch cool, das haben wir gleich notiert.

 

Wie geht es nun weiter? Können wir die App bald im App Store runterladen?

Wir planen den Release einer Alpha-Version, um wichtige Daten für die Weiterentwicklung zu gewinnen. Bis dahin müssen allerdings noch einige organisatorische Hürden überwunden werden.

 

Gibt es Pläne, die App zu vermarkten?

Ja, allerdings möchten wir die App zunächst im kleinen Rahmen einführen, um Daten für die Weiterentwicklung zu sammeln. Größere Vermarktungsstrategien und Partnerschaften sind erst für später geplant.

 

Kommen wir mal zurück zum Thema UX-Design. Was interessiert Sie an dem Thema besonders?

Jonas Taigel
Besonders spannend finde ich, wie gutes UX-Design den Alltag der Nutzer verbessern und Prozesse effizienter gestalten kann.

 

Was kontern Sie, wenn jemand sagt, Design sei da zweitrangig?

Marcel Prostka
Schlechtes Design fällt auf, aber wenn einem nichts auffällt, dann ist das Design schon mal gut, das ist die halbe Miete. Wir versuchen sozusagen unsichtbares Design zu machen, das jeder nutzen will und kann.

Lennart Schiweck
Design ist mehr als nur Ästhetik. Es geht darum, wie der Nutzer mit der Anwendung interagiert. Wir fragen uns stets: Was möchte der User erreichen, und wie können wir ihm dabei bestmöglich helfen? Ein gutes User Interface ist wichtig, aber entscheidend ist das gesamte Nutzungserlebnis.

 

Sie sind bei der diesjährigen UX-Challenge bundesweit unter die ersten Fünf gekommen. Was ist die UX-Challenge und wie kam es dazu, dass Sie mit LISTSCAN daran teilgenommen haben?

Die UX-Challenge ist ein Wettbewerb, der innovative und benutzerfreundliche Designlösungen fördert. Wir haben uns auf Anregung von Prof. Tullius mit LISTSCAN beworben, um unsere Idee zu testen und Feedback von Experten zu erhalten.

Man reicht ein Video und ein beschreibendes Paper der App ein und wartet. Falls man es in die Finalistenrunde schafft, wird man zum UX-Festival eigeladen, bei dem dann der Gewinner per User-Voting bestimmt wird.

 

Welchen Tipp würden Sie Studierenden geben, die bei der nächsten UX-Challenge teilnehmen möchten?

Offen für Feedback sein und immer den Nutzer im Mittelpunkt zu behalten.

 

Was nehmen Sie aus Ihrer Erfahrung mit, was hat Sie als Informatiker echt weitergebracht?

Die Erfahrung hat uns gezeigt, wie wichtig gute Planung, Teamarbeit und kontinuierliches Feedback sind. Diese Lektionen werden in unserer weiteren Laufbahn als Medien- und Kommunikationsinformatiker sicherlich von großem Nutzen sein. Darüber hinaus haben wir erkannt, wie entscheidend UX-Design für den Erfolg einer App ist. Den gesamten Prozess der eigenen App-Entwicklung durchzumachen war und ist wirklich sehr lehrreich, da er wertvolle Einblicke in die praktischen Herausforderungen und die notwendigen Schritte zur erfolgreichen Umsetzung eines Projekts bietet, das nun über den Universitätskontext hinaus gehen wird.

 

Und zum Schluss: Worauf sind Sie besonders stolz?

Besonders stolz sind wir darauf, im Team eine App zu entwickeln, die den Alltag der Nutzer wirklich erleichtern kann und diesen Prozess auch weiterzuführen mit dem Ziel die App zu veröffentlichen.

 

 

Lennart Schiweck hat sein Bachelorstudium im Studiengang Medien- und Kommunikatonsinformatik als Semesterbester abgeschlossen und ist nun Erstsemester des Masterstudiengangs Human-Centered Computing an der Hochschule Reutlingen.
Jonas Taigel befindet sich im letzten Semester seines Bachelorstudiums Medien- und Kommunikationsinformatik und schreibt derzeit seine Thesis.
Marcel Prostka ist gerade im Praxissemester seines Bachelorstudiums Medien- und Kommunikationsinformatik. 

 

Weiterführende Links

Presseartikel zum UX-Festival

German UPA (Berufsverband der Deutschen Usability und User Experience Professionals)